Äußere Hebriden, Teil 1: die Nordinseln um Lewis und Harris
Von unseren Gastautoren Heinz Bück & Sigrid Schusser
Die Äußeren Hebriden liegen quer vor der schottischen Westküste draußen im rauen Nordatlantik. Unsere Reisegeschichte erzählt, wie ihr die 210 km lange Inselkette am besten bereisen könnt. Sie entführt euch in ihre faszinierenden Landschaften, ihre lebensfrohe Kultur und eine jahrtausendealte spannende Geschichte: zu Steinkreisen und Brochs, zu Pikten und Wikingern und den schottischen Clans im „Kingdom of the Isles“.
Strahlender Empfang auf Lewis
Unter strahlend blauem Himmel tuckerte die Fähre durch die Schärenküste um Ullapool in den North Minch. Diese Meeresenge trennt das schottische Festland von der Landbrücke der Äußeren Hebriden. Besser gesagt: sie verbindet die Highlands mit den Western Isles. Denn hier an der schottischen Küste gibt es nur noch Wasserwege und Fährpassagen, die im innerhebridischen Inselkosmos hinausreichen bis an den Rand jener entlegenen Welt. Die Schiffe von Caledonian MacBrayne – „CalMac“, wie die Fährgesellschaft hier kurz und freundlich genannt wird – pendeln zwischen den unzähligen Inseln der Inner und Outer Hebrides auf der einen und dem Mainland auf der anderen Seite des Minch. Und Mainland ist alles, was starr an der britischen Insel hängt.
Anreise von Newcastle nach Ullapool
Wir waren mit dem Wohnmobil von IJmuiden nach Newcastle und quer durch die Highlands nordwestwärts an die schottische Küste gefahren, eine wunderbare Anreise und eine eigene Geschichte wert: bis nach Ullapool, wo uns bald nach dem Eintreffen am frühen Morgen das offene Maul der Fähre verschluckte. Im Bordrestaurant genossen wir bei herrlicher Aussicht ein erstes deftiges schottisches Frühstück: gebratene Eier, Bohnen und Kartoffelpuffer zu Schinken, Würsten und Black Pudding, der typischen Blutwurst.
Mit CalMac durch den Minch
Ein Fischtrawler zog seine Schleppnetze und einen Schwarm Möven durch die ruhige See der schottischen Inselwelt. Recht voraus lagen Lewis und Harris, ihre Berge mit watteweißen Wolkenhauben bedeckt, als trügen sie einen Sonnenschutz: festlich herausgeputzt für die bevorstehenden Festtage in Stornoway. Backbord querab im Dunst des späten Morgens ragten die Berge der Insel Skye auf. Sie gehört zu den Inneren Hebriden und schiebt sich weit in die Meeresenge des Minch hinaus. So verkürzt sich der Fährweg von ihrem westlichen Hafen Uig nach Tarbert, hinaus auf die Insel Harris. Diese Strecke ist eine weitere beliebte Verbindung zu den „Western Isles“ und eine Alternative zu Ullapool im Norden und zu Oban im Süden, falls es mal Engpässe bei der Platzreservierung gibt.
Hebridean Celtic Festival
In der Hauptsaison ist eine Fährreservierung jedenfalls nur anzuraten. Sammeltickets fürs „Island Hopping“ sind dabei besonders preiswert. Wir hatten die Passagen schon früh gebucht. Denn es war „Hebridean Celtic Festival“ in Stornoway [alljährlich um den 20. des Monats Juli ]. Dann herrscht auf Lewis, der nördlichsten Insel, lebensfroher Hochbetrieb. Für Einheimische wie für die weitgereisten Gäste ein weiterer toller Anlass, um hinauszufahren: hinaus zur kleinen Hauptstadt und hinüber an den für 4 Tage vibrierenden Rand der Welt. Konzertkarten für dieses einmalige Event hatten wir jedenfalls online vorbestellt. Ein fantastischer Einstieg zur Eröffnung unserer Inseleskapaden erwartete uns. Zumal sonniges Wetter über den Hebriden lag, wo sich im Herbst und Winter die Tiefdruckgebiete zusammenbrauen. „CalMac“ brachte uns rüber in den festlichen Trubel.
Vier lebensfrohe Festtage
Sie waren offenbar alle gekommen, die MacLeods und MacLeans, die MacDonalds und MacArthurs. Dazu die Doherties und O`Connors aus dem nahen Irland. Smiths und Jones aus England. Van Ackeren, Müller und Dubois vom Kontinent. Selbst Beutlins, Brandybocks und Tucks aus dem Auenland schienen zugegen, jedenfalls ließen die runden Bäuche und platten Füße das vermuten. Alles, was Lust und Laune hatte, war da. Und wir mittendrin. Das Bier floss in Strömen.
Musik liegt in der Luft
Dudelsäcke näselten in der Stadt. Pipebands marschierten auf. Und in der Fußgängerzone von Stornoway City gab es traditionellen Säbeltanz. Allein auf der Hauptbühne im großen Festzelt am Fuße von Lews Castle spielten jeden Abend nacheinander zwei renommierte Bands bis spät in die Nacht. Auf den beiden Nebenbühnen bekannte Songwriter und lokale Nachwuchsgruppen. Das Rahmenprogramm für Familien schier endlos: Sport und Kinderanimation, Pipersessions und Akkordeonschulen, daneben Gälisch für Anfänger und professionelle Workshops für Enthusiasten in Tanz und Musik. Und in den Straßen und Bars von morgens bis abends keltische Klänge der sanften und der temperamentvollen Art.
Von der Steinzeit in die Neuzeit
Wir mussten uns losreißen. Lewis – so war der Plan – sollte der Ausgangspunkt unserer Tour sein. Es wurde eine Zeit-Reise. Nach den lebensfrohen Festtagen in Stornoway machten wir uns auf den Weg, von der Ostseite hinüber in den Westen der Insel, in flache endlose Marsch und weite Moore, die vor sechs Jahrtausenden bereits besiedelt waren. Wir ließen die Moderne hinter uns und fuhren hinab in die junge Steinzeit, mit Abzweigern in die Bronze- und Eisenzeit. Von den Steinkreisen von Callanish kamen wir zum Broch Dun Carloway und den Black-House Siedlungen von Arnol, auf den Spuren von Pikten, Scoten und Wikingern.
In jahrtausendealte Geschichte
Christianisiert von irischen Wandermönchen und von Wikingern im 10. Jahrhundert erobert, schauen die Hebriden auf eine lange dramatische Geschichte und wechselvolle Herrschaft zurück. Im frühen Mittelalter übernahmen die schottischen Clans die Macht. Die mächtigen MacDonalds begründeten hier das Kingdom of the Isles, das die südlichen Inseln bis Kintyre und die Isle of Man mit einschloss. Wir verstanden schnell: man muss viel Zeit mitbringen, um diesen Kosmos zu bereisen
Vom Butt of Lewis südwestwärts
Vom nördlichsten Leuchtturm am Butt of Lewis sind wir der Landbrücke südwestwärts gefolgt. Die nördlichen Inseln hängen vertraut aneinander und gehen unmerklich ineinander über. Im Westen führt eine Brücke nach Great Bernera und zu seinen traumhaften weißen Stränden. Im Osten hängt sich das zerfurchte Scalpay an, mit seinem Seenteppich – Lough an Lough – einer skandinavischen Schärenlandschaft ähnlich. Und im Süden ragen die Berge von Harris auf, bis auf 800 Meter über dem Meer und mit Blick auf das ferne St. Kilda, die Insel am Rande der Welt.
Abfahrt in Leverburgh
Die Tage vergehen wie im Flug. Morgen früh geht unser Boot nach North Uist. Von Harris verkehrt am Hafen von Leverburgh eine kleine Fähre auf die mittlere Gruppe der Inseln: „die Uists“. Regen hatte eingesetzt. Nach 14 Tagen plästerten die ersten richtigen Schauer herab: handtellergroß schlugen die Tropfen auf. Dann ging die Welt unter, in atlantischen Sintfluten. Das Restaurant am Hafen bot Trost und fangfrischen Fisch. Und Scallops, Muscheln so groß wie weiße Pflaumen, in knusprigen mageren Schinken gerollt. Soll es doch regnen…
Teil 2: Auf die mittleren Inseln, die Uists
Hier könnt ihr die Fortsetzung weiterlesen.
Gastautor Heinz Bück schreibt wunderbare Reiseberichte aus Schottland, Irland und Großbritannien unter: www.the-celtic-ways.de. Das Autorenteam hinter „The Celtic Ways“, Sigrid Schusser und Heinz Bück, berichten in Print und Web für Freizeit und Outdoor-Magazine. Die beiden Reisejournalisten zieht es in ihrem mobilen Büro, einem orangen Reisemobil, an die westlichen Ränder Europas. Ihre spannenden Geschichten und aktuellen Informationen aus den „keltischen Lebenswelten“ inspirieren zu eigenen Touren in diese herrlichen Regionen.