Mit dem Motorrad durch Schottland – Teil 1

Highlands mit Motorrad_co_Marten Suhre

Motorrad fahren in Schottlands kurvenreichen Highlands? Das stelle ich mir fantastisch vor, denkt sich der begeisterte Motorradfan. Aber viel mehr gibt es doch für mich und mein Motorrad nicht zu entdecken… falsch gedacht! Gastautor Marten Suhre nimmt Euch mit auf ein Abenteuer mit dem Motorrad und zeigt Euch nicht nur tolle Orte und Routen, sondern auch, was es zu beachten gibt, wenn man sich aufmacht, Schottland mit dem eigenen Motorrad zu erkunden.

Los geht das Abenteuer – Mit dem Motorrad durch Schottland

Der Grund, warum ich und vermutlich die meisten einen Motorradführerschein gemacht haben, war die Vorstellung davon, tagelang mit meinem Motorrad auf unbekannten Straßen durch fremde Länder zu fahren und jeden Tag an einem neuen Ort aufzuwachen. Das letzte Abenteuer dieser Art war schon wieder viel zu lange her und so überlegte ich mit einem Freund, der den gleichen Wunsch hatte, welche Länder für uns in Frage kommen. Je wilder und einsamer die Gegend, umso besser. So entschieden Per und ich uns für Schottland.

Schottland mit Motorrad_co_Marten Suhre

Die beste und einfachste Art der Anreise mit dem eigenen Motorrad war für uns die Fähre von Amsterdam nach Newcastle. Nach etwas Recherche stellte sich der Mai als geeigneter Reisezeitraum heraus, da es in diesem Monat statistisch gesehen die meisten Sonnenstunden und den wenigsten Niederschlag gibt und sich zu dieser Jahreszeit noch keine lästigen Midges, beißende Fliegen, in den Highlands herumtreiben. Wobei uns das schottische Wetter später noch zeigen sollte, dass es sich nicht nach Statistiken richtet.

Fähre Amsterdam Newcastle_co_Marten Suhre

So brachen wir an einem Montagmorgen mit unseren beiden Motorrädern, auf denen wir unser Gepäck festgezurrt hatten, Richtung Holland auf. In weniger als drei Stunden waren wir in IJmuiden und konnten nach einem schnellen Check-in mit dem Motorrad auf die Fähre fahren. Während wir unsere Motorräder mit Spanngurten befestigten, kamen wir schnell mit den anderen Motorradfahrern ins Gespräch und tauschten uns über Erfahrungen und Reisepläne aus.

Unsere Überfahrt nach Newcastle

Als allererstes verstauten wir das Gepäck in unserer Kabine. Wir hatten eine Außenkabine mit zwei Betten gebucht, in der für alles genügend Platz war. Um 17:30 Uhr legte das Schiff dann ab. Wir suchten uns eine Bank am Heck des Schiffes und beobachteten voller Vorfreude auf den morgigen Tag, wie der Leuchtturm und der Hafen immer kleiner wurden, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Wir erreichten nach einer sehr entspannten Nacht am nächsten Morgen gegen 9 Uhr den Hafen in Newcastle.

Mit DFDS und Motorrad nach Schottland_co_Marten Suhre

Konfrontation mit dem Linksverkehr

An den Linksverkehr in England hatte ich mich schneller gewöhnt als gedacht. Wir folgten einfach den anderen Autos und nach ein paar Stunden Fahrt war es schon selbstverständlich. Der einzige aufregende Moment entstand nach einer Pause auf einer einspurigen Straße. Der natürliche Reflex brachte mich dazu, dem entgegenkommenden Fahrzeug fälschlicherweise rechts auszuweichen und wir fuhren frontal aufeinander zu. Zum Glück so langsam, dass wir noch rechtzeitig auf die linke Seite ausweichen konnten.

Tantallon Castle_co_Marten Suhre

Newcastle liegt weit im Norden Englands und die Grenze zu Schottland war schnell erreicht. Am ersten Tag fuhren wir – mit einem Zwischenstopp am Strand – die Ostküste hoch bis Tantallon Castle. Wir erkundeten die alte Burgruine, von der man einen schönen Ausblick auf den Bass Rock hat, einer Felsinsel voll mit tausenden Vögeln. Anschließend fuhren wir an Edinburgh vorbei bis Glasgow.

Bass Rock_co_Marten Suhre

Zwischenstopp in Glasgow

In Glasgow hatten wir unser erstes Hostel gebucht und inspizierten bei Regenwetter gleich einen der schottischen Pubs, um uns dort aufzuwärmen. Am nächsten Morgen ging es weiter in Richtung Isle of Skye. Wir fuhren nördlich direkt am Ufer des Loch Lomond entlang. Die Strecke war sehr kurvenreich und wunderschön zu fahren – zu unserer linken Seite Waldhänge und zu unserer Rechten immer wieder der Blick auf den Loch Lomond mit seinen zahlreichen Inseln. Genau so hatte ich mir das Motorradfahren in Schottland vorgestellt. Gegen Mittag zwang uns der immer stärker werdende Regen zu einer längeren Pause in Tyndrum.

Glasgow_co_Marten Suhre

Kurvenreiche Highlands und Harry Potter

Nach unserer kurzen Zwangspause in Tyndrum brachen wir im Trockenen wieder auf. Es ging nun kontinuierlich bergauf und die Landschaft wurde deutlich alpiner. Hier fingen also die Highlands an. Während wir durch das Glen Coe Tal fuhren, konnten wir auf den Berggipfeln links und rechts der Strecke immer noch Schneefelder entdecken. Wieder unten auf Meereshöhe in Fort William kam dann endlich die Sonne heraus und wir konnten bei schönstem Wetter das Glennfinan Viaduct besichtigen. Eine beeindruckende Eisenbahnbrücke, die alle Harry Potter Fans aus den Filmen kennen dürften und auf jeden Fall einen Besuch wert ist.

Glenfinnan Viadukt_co_Marten Suhre

Ankunft auf der Isle of Skye

Am nächsten Tag kamen wir mit der Fähre von Mallaig aus an unserem westlichsten Ziel der Schottlandreise an und starteten unsere Rundfahrt über die Insel zu den auf dem Weg liegenden Sehenswürdigkeiten.

Isle of Skye mit Motorrad_co_Marten Suhre

Das erste Ziel war der Old Man of Storr, eine 48 m hohe Felsnadel, die leider an dem Tag im Nebel verschwand. Wir beschlossen deshalb, dass es sich nicht lohnen würde, hinauf zu wandern und fuhren weiter. Auf halber Strecke zu den Mealt Falls, einer der wenigen Wasserfälle Europas, die direkt in das Meer fallen, wurde der Regen immer stärker und wir waren trotz der besten Regenkleidung jetzt komplett durchnässt. Wir beschlossen aber, die Runde wie geplant zu fahren und nicht umzudrehen. An den Mealt Falls hatten wir dann als Belohnung freie Sicht über das Meer.

Isle of Skye_Kilt Falls_co_Marten Suhre

Neugierig wie es weiter geht? In Teil 2 entdeckt Gastautor Marten Suhre, was Schottland wirklich ausmacht.
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Karte: Motorrad Tour in Schottland

 

Marten Suhre: „Reisen, Fotografieren und Filmen sind schon immer große Leidenschaften von mir gewesen. Was liegt also näher, als meine Reisen auf diese Art zu dokumentieren. Mich interessieren eher die weniger bekannten, abenteuerlichen Ziele, in denen es noch etwas zu entdecken gibt. Fotos und Videos meiner Reisen veröffentliche ich auf Instagram und Youtube unter dem Namen martensur.“

 

Alte Abteien und Burgen rundum Edinburgh

Dryburgh bei Edinburgh_co_Nicola de Paoli

Die Scottish Borders südlich von Edinburgh an der Grenze zu England zwischen sanften Tälern und einer malerischen Küste haben schon das Herz von Sir Walter Scott erobert, der hier sein geliebtes Haus Abbotsford baute. Die Region ist auch ein Paradies für Liebhaber von alten Abteien und Burgen. Wie auf einem Gemälde der Romantik liegen sie am Wegesrand und warten darauf, entdeckt zu werden. Gastautorin Nicola de Paoli nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise.

Eine Fahrt durch die Scottish Borders

Sonnenschein begrüßt unsere Fähre in der englischen Hafenstadt Newcastle. Nach einer kurzen Wartezeit fahren wir von Bord. Die Räder rattern über die Gangway der DFDS Fähre. „Links fahren“ denke ich, „immer schön links fahren.“ Wir ordnen uns auf der linken Seite in den Straßenverkehr ein. Das funktioniert so weit ganz gut. Dann der erste Kreisverkehr… Doch auch das klappt überraschend reibungslos. Ich schalte einen Gang hoch. Auf nach Edinburgh.

Willkommen in den Scottish Borders_co_Nicola de Paoli

Alle Wege führen nach Edinburgh

  • Für den Weg in die schottische Hauptstadt gibt es zwei Möglichkeiten: Die Autobahn A1 führt an der Küste entlang. Sie bietet einen schönen Blick aufs Meer, ist vermutlich auch etwas schneller, dafür aber auch oft ziemlich viel befahren.
  • Die etwas gemächlichere Route führt ab Ottoburn über die A68 durch Südschottland und an zahlreichen Sehenswürdigkeiten vorbei, die wir nicht verpassen wollen. Dazu gehören die berühmten Abteien und Klöster der Scottish Borders. Die Region südlich von Edinburgh wird Borders genannt. Das liegt vermutlich daran, dass die Grenze (border, engl.: Grenze) nach England nicht weit ist.
  • Eine gut 100 Kilometer lange Rundtour, der Borders Abbey Way, führt zu den bekannten Abteien dieser Region und nach Abbotsford House, der Heimat des Dichters Sir Walter Scott.

Kelso Abbey_co_Nicola de Paoli

Die Abteien von Jedburgh und Kelso

Unsere erste Station ist Jedburgh. Die Abtei wurde 1138 gebaut. Wir schauen uns den Kräutergarten an und machen einen kurzen Abstecher ins Museum. Die Abtei wurde 1545 niedergebrannt und nicht wieder aufgebaut. Von Jedburgh geht es weiter nach Kelso. Die malerische Kleinstadt liegt am River Tweed und die Auslagen in den Geschäften der Innenstadt lassen darauf schließen, dass Kelso die heimliche Hauptstadt der Angler ist, die im River Tweed ihre Angeln auswerfen.

Die Abtei von Kelso liegt fußläufig nur wenige Minuten von der Altstadt entfernt. Kelso Abbey war eine der wohlhabendsten und bedeutendsten Abteien in Schottland. Im 16. Jahrhundert wurde die Abtei angegriffen, stark beschädigt und schließlich im Jahr 1587 aufgegeben.

Kelso_co_Nicola de Paoli

Malerischer Zwischenstop

Unsere nächste Station ist Dryburgh. Auch Dryburgh ist nur noch als Ruine erhalten. Das Kloster liegt in einem alten Park mit großen Bäumen. Direkt vor dem Kloster stehen Picknick-Tische, die zu einer kleinen Pause einladen. Wir beschließen, unsere Brote auszupacken und kurz Rast zu machen. Nur wenige Minuten entfernt fließt gemächlich der River Tweed durch die grünen Wiesen. Es gibt ohne Zweifel Sehenswürdigkeiten, die geschichtlich bedeutsamer sind. Doch wer einen Ort für eine kleine Auszeit sucht, um auf dem Rasen ein Nickerchen zu halten oder zu picknicken, der wird die Stunden in Dryburgh Abbey genießen.

Dryburgh bei Edinburgh Picknick_co_Nicola de Paoli

Abbotsford House

Bei der Weiterfahrt auf der A68 sind in der Entfernung nun die Eildon Hills mit ihren drei markanten Gipfeln zu sehen. Die Römer nannten die Eildon Hills „Trimontium“. Nahe der Stadt Melrose befindet sich Abbotsford House, die Heimat des schottischen Dichters Sir Walter Scott. Einer seiner bekanntesten Romane ist „Ivanhoe“. Das Buch erschien im Jahr 1820. Abbotsford House besitzt eine eindrucksvolle Bibliothek. Das Haus des Schriftstellers wurde vor einigen Jahren aufwändig renoviert und nach längerer Schließung wiedereröffnet.

Abbotsford House in den Borders_co_Nicola de Paoli

Ein Ring aus Burgen um Edinburgh

Die Reise geht nun weiter nach Norden, vorbei an der Stadt Lauder und Thirlstane Castle. Wenige Autominuten später fahren wir an der Ruine von Crichton Castle vorbei. Wie ein breiter Schutzwall legte sich einst ein Ring von Burgen um die schottische Hauptstadt. Wer von Süden aus nach Schottland einfallen und Edinburgh einnehmen wollte, musste an diesen dicken Mauern erst vorbei.

Scotts view_co_Nicola de Paoli

Wir erreichen die Vororte von Edinburgh. Es ist viel Verkehr, der unsere ganze Aufmerksamkeit erfordert. Im Süden von Edinburgh gibt es viele Shopping Center, und es scheint, dass alle Einwohner der schottischen Hauptstadt ausgerechnet heute beschlossen haben, einkaufen zu gehen. Die A68 endet nun an einer breiten Ringstraße, die um die Stadt herumführt. Aber wir wollen ins Stadtzentrum und sagen der A68 “Good-bye”.

Die Autorin Nicola de Paoli ist Herausgeberin des Schottland-Magazins.
 

Geschichte erleben am Hadrianswall

Hadrianswall Überblick_co_the-celtic-ways.de

Wie ein steinernes Band windet sich die endlose Mauer durch die hügelige Landschaft im Norden Englands. Sie schlängelt sich durch das Grün der Wiesen und Felder, rankt sich um versprengte Baumgruppen und kleine Wäldchen, zwischen Teichen und Seen. Sie steigt auf schroffe Höhen, krümmt sich über felsige Kanten und Klippen aus Basaltpalisaden und fließt hinaus in die weite Ebene, die sich im blassen Abendlicht des fernen Horizonts verliert. Wir stehen staunend vor diesem maßlosen, gigantischen Bauwerk, das das Land und die Landschaft dominiert.

Der Hadrianswall ist heute ein beeindruckendes Weltkulturerbe, damals diente das römische Befestigungssystem zum Schutz des britannischen Limes. Reisende können den Überresten der Steinmauer folgen, sie verläuft nahe der Grenze zwischen England und Schottland. Warum man unbedingt dort stoppen sollte, kann Gastautor Heinz Bück berichten.

Hadrianswall Mauer_co_the-celtic-ways.de

Die Reise beginnt

Auf unserer letzten Schottland-Tour waren wir auf den Hadrianswall gestoßen. Frontal, in Wallsend in North Tyneside, kurz vor Newcastle. Hier endet oder beginnt er, je nachdem woher man kommt und wohin man will. Aber die Zeit war uns damals zu knapp zum Verweilen. Die Fähre wartete und wir waren auf der Heimreise. Diesen Sommer jedoch hatten wir vorsätzlich mehr Zeit eingeräumt. Zwar nicht den gesamten Urlaub, was die Region locker hergibt. Aber ein paar entspannte Tage sollten es doch schon sein, auf unserer Rückfahrt von Wales hinüber nach Newcastle. Es wurde eine beeindruckende Zeitreise, aus dem ratlos brexitenden England ins untergegangene Imperium Romanum – und wieder zurück.

Hadrianswall Treppe_co_the-celtic-ways.de

Hier liegt der Hadrianswall

Genau an der Wespentaille der Britischen Insel schlängelt sich der Wall quer durch Nordengland. Mitten durch die stille hügelige Landschaft der nördlichsten, traditionellen Grafschaften Northumberland und Cumbria. Wir hatten ihn als Einstieg für eine ganz eigene Erkundungstour gewählt, für eine antike Grenz-Erfahrung. Heute weiß ich, man kann den Hadrianswall prima entlang wandern, komplett von der Nordsee bis an die Irische See: über den Hadrian’s Wall Path sind es 84 beeindruckende Meilen. Das nächste Mal vielleicht. Es reizt mich durchaus und möglicherweise ist es sogar die beste Art, ihn zu erleben und zu begreifen. Doch diesmal sind wir mit dem Wohnmobil unterwegs.

Hadrianswall Aussicht_co_the-celtic-ways.de

Von Carlisle, dem westlichen Ende des Walls am Solway Firth, sind es nur 15 Kilometer zur schottischen Grenze. Hier geht es nordwärts in die Lowlands Richtung Glasgow, südwärts über den Lake District und Liverpool nach Snowdonia in Wales. Rund 120 Kilometer sind es hinüber zur Nordsee. Diese Querung Englands über Hadrian’s Wall ist wunderschön, sehr geschichtsträchtig und erlebnisreich.

Was ist zu sehen vom Hadrianswall?

„Wall“ klingt im Deutschen lautlich und vor allem begrifflich anders als im Englischen, wo es schlicht „Mauer“ bedeutet: nach Aufschütten und Verschanzen, nach Erde, nach Verteidigung. Wallförmig sehen bei uns Damm und Deiche aus. Der römische Limes in Germanien wurde auf diese Art errichtet und mit Palisaden, Toren und Türmen aus Holzstämmen befestigt, davor ein Graben. Ebenso Hadrian’s Wall – vor allem im Westen.

Hadrianswall Tor_co_the-celtic-ways.de

Doch in seinem Mittel- und Ostteil wurde er aus behauendem Stein erbaut: ein klobiges Mauerwerk, ein akkurates Machwerk und ein ausgeklügeltes Machtwerk antiker Herrschaft zur Teilung Britanniens. Bis zu viereinhalb Meter hoch waren die Mauern. Bis zu zweieinhalb, ja drei Meter dick. Ununterbrochen und undurchdringbar: an 320 Knotenpunkten waren Türme auf Sichtweite errichtet. Und an 80 Stellen waren befestigte Kasernen angelegt: Meilenkastelle, die genau eine römische Meile auseinander lagen, gut 1.500 Meter. Mauern dieser Art wecken widerstreitende Emotionen, ja Widerstand, einst wie heute und überall auf der Welt.

Hadrianswall Ansicht_co_the-celtic-ways.de

Gestern und heute

Hadrian’s Wall war der strategisch vorgelagerte Teil des Limes Britannicus. Kaiser Hadrian hatte ihn beim Besuch der Provinz Britannia, der nördlichsten Annexion des Römischen Reiches, persönlich von seinen Truppen gefordert. In sechs Jahren – von 122 bis 128 nach Christus – wurde er erbaut. Als Teil jenes komplexen Grenzbefestigungssystems, das die Römer seit Cäsars erster Invasion 55 vor Christus ausgebaut hatten: gegen Übergriffe der vielen nach Norden verdrängten Volksstämme in Schottland, der Pikten, wie die Römer sie schlechthin nannten.

Hadrianswall Karte_co_the-celtic-ways.de

Gut 400 Jahre dauerte die Besatzung. Die Clans hatten sich in die Highlands zurückgezogen. Dazwischen war ein Streifen uneinnehmbares Niemandsland: Noch heute verläuft die moderne schottische Grenze etwas weiter nördlich. Dass sie nun wieder eine richtige Grenze, ja sogar eine EU-Außengrenze werden könnte, falls die aufsässigen Schotten das ungeliebte Großbritannien der EU zuliebe verlassen sollten, ist uns angesichts dieses Bauwerks schier unbegreiflich. Immerhin 62 Prozent von ihnen waren für den Verbleib in der EU, die angrenzende englische Grafschaft Northumberland indes mit 54 % dagegen, ebenso die Wahlkreise in Cumbria: rund 60 Prozent stimmte für den Brexit.

Heute ist Hadrian’s Wall ein Weltkulturerbe der UNESCO, am eindrucksvollsten sein mittlerer Abschnitt. Teile der Mauer sind hier besonders gut erhalten, noch mannshoch und prima restauriert. Andere sind abgetragen. Sie dienten den Einheimischen als Steinbruch.

Hadrianswall Landschaft_co_the-celtic-ways.de

Ausstellungen und Grabungsstätten

Wir kommen nur langsam voran, stoppen und wandern durch die weite Landschaft an der Mauer entlang und mit ihr die Hügel hinauf und hinab. Von den römischen Forts und Siedlungen sind meist nur die Fundamente erhalten. Allein 17 Kastelle lagen in der Festungskette des Hinterlandes. Fantastische Ausstellungen und Grabungsstätten reihen sich auf unserem Weg gen Westen, vor allem von der Mitte des Walls aus: Chesters Roman Fort oder das Roman Army Museum. Öffentliche Busrouten führen von Ost nach West und retour zu allen markanten Punkten und den sehenswerten Stätten der antiken europäischen Großmacht.

Hadrianswall Kastell_co_the-celtic-ways.de

Wir besuchen Kastell Vindolanda und die laufende Ausgrabung dort. Sie legt einen wahren Fundus der römischen Administration frei: Schrifttum und Artefakte belegen die guten Verbindungen des Militärlagers bis nach Rom. Seine Besatzung war für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben im Hinterland zuständig. Sehenswert ist auch Birdoswald: die Fundamente des einstigen Kastells und der gut erhaltene steinerne Wall vergegenwärtigen die wahre Größe und den Aufwand des imperialen Machtapparats.

Hadrianswall Ausgrabung_co_the-celtic-ways.de

Grenzzaun des alten Empires

Die Museen, Ausstellungen und Besucherzentren sind hoch informativ, mit großem Erkenntnisgewinn für unsere so unruhige Neuzeit: Nach heutiger Einschätzung der Wissenschaft diente der Wall weniger der Abwehr einer großen keltischen Invasion. Er wäre ihr nicht gewachsen gewesen. Ziel war vielmehr ein Schutz gegen kleinere Überfälle. Historiker und Archäologen glauben inzwischen sogar, dass er eher den lokalen Grenzverkehr kontrollieren sollte, etwa um Einfuhrzölle zu ermöglichen.

Und sie liefern uns eine erstaunliche Feststellung nach: Hadrian’s Wall sollte die unkontrollierte Einwanderung schottischer und irischer Stämme in die Provinz Britannia Inferior verhindern… Einst und jetzt verschwimmen, ein Riss, ein Zeitsprung, Vergegenwärtigung: Ist es wirklich überholt dieses antike Denken? Oder ist überholtes Denken modern? Gehört forscher Grenzziehung bald schon die Zukunft? Für imperiale Maßnahmen gegen Migration? Wir sind sehr aktuell unterwegs am mächtigen Grenzzaun des alten Empires.

Hadrianswall Schild_co_the-celtic-ways.de

Die Route: nicht zu verfehlen. Von der DFDS Fähre in Newcastle immer an der Wall entlang. Im Groben ist die A69 die wichtigste Orientierung. Sie folgt dem Verlauf des River Tyne. Ihre Abzweige führen zum Hadrianswall. Tipp: In einem der Besucherzentren unbedingt eine Karte der Wege und Stätten erbitten. Tourist Information Center sind in Carlisle und Newcastle. Die Landschaft: entzückend. Kleine Dörfer liegen am Wegesrand – mit urigen Pubs und lokalen Märkten. Und große Wälder und National Parks kaum abseits der Route. Am Ende der Lake District. Aber das ist eine andere Geschichte und eine eigene Reise wert.

Gastautor Heinz Bück schreibt wunderbare Reiseberichte aus Schottland, Irland und Großbritannien unter: www.the-celtic-ways.de. Das Autorenteam hinter „The Celtic Ways“, Sigrid Schusser und Heinz Bück, berichtetet in Print und Web für Freizeit und Outdoor-Magazine. Die beiden Reisejournalisten zieht es in ihrem mobilen Büro, einem orangen Reisemobil, an die westlichen Ränder Europas. Ihre spannenden Geschichten und aktuellen Informationen aus den „keltischen Lebenswelten“ inspirieren zu eigenen Touren in diese herrlichen Regionen.

North Coast 500 – Abenteuer in Schottland

North Coast 500 Start_CO_de Paoli

Wir befinden uns auf Schottlands Antwort auf die amerikanische Route 66 – Synonym für unwiderstehlich schöne Landschaften und Abenteuer pur. Gastautorin Nicola de Paoli nimmt uns mit auf eine abenteuerliche Reise. Ihre Eindrücke hat sie in tollen Bildern für uns festgehalten.

North Coast 500 Welcome to Scotland_CO_de Paoli

Dieses Blau! Das Meer trägt Veilchenfarben. Ich springe mit gezückter Kamera aus dem Auto und renne einige Meter am Straßenrand entlang. Dieser eine Schnappschuss muss es noch sein! Doch statt auf den Auslöser zu drücken, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Es gibt so viel zu sehen: Gelber Ginster und silberglänzende Steine, Berge und Meer wechseln sich ab; dazwischen kleine weiße Häuser, als hätte ein Maler die Szenerie entworfen. Hinter mir wird ungeduldig gehupt. Hey Leute – diesen Blick muss man einfach genießen.

North Coast 500 Natur_CO_de Paoli

North Coast 500 – 805 Kilometer Abenteuer

Wir fahren auf der North Coast 500 durch Schottlands Norden, und wer unwiderstehlich schöne und einsame Landschaften sehen will, der kommt hier auf seine Kosten. Die 805 Kilometer lange Strecke verläuft von Inverness bis in die entlegensten Ecken der Highlands. Von dort geht es an den nördlichsten Zipfel Schottlands und dann auf der anderen Seite der Küste zurück zum Ausgangspunkt. Das Fremdenverkehrsamt in der schottischen Hauptstadt Edinburgh bewirbt die North Coast 500 als die schottische Antwort auf die legendäre Route 66 durch die USA.

North Coast 500 Bachlauf_CO_de Paoli

Schottlands Antwort auf die Route 66

Ich vermute allerdings sehr stark, dass auf der Route 66 mehr los ist, als die paar Schafe, die uns gerade bei der Ortschaft Poolewe an der Westküste den Weg versperren. Die Straße ist einspurig. Ab und zu gibt es kleine Haltebuchten, in denen man abwarten kann, bis der Gegenverkehr vorbeigefahren ist. Der Gegenverkehr ist in unserem Fall ein gewaltiger Reisebus, der sich nun langsam vor uns um die Kurve schiebt. Es hilft nichts, wir müssen zurücksetzen. Mein erster Impuls ist es, auszusteigen und die Schafe hinter unserem Auto von der Straße zu schieben. Aber Schafe sind nicht so dumm wie man meinen könnte. Sie kapieren, was wir vorhaben und verziehen sich von alleine auf die umliegenden Hügel. Und wir setzen zurück. Endlich haben wir die nächste Haltebucht erreicht. Der Bus rauscht an uns vorbei, die Schafe sind gerettet und der Busfahrer dankt uns auch noch mit dem landestypisch-lockeren Heben der Hand. Puh, geschafft.

North Coast 500 mobil_CO_de Paoli

Auf und neben der Strecke

Das Autofahren in Schottland hat seine Eigenheiten und das liegt nicht nur am Linksverkehr. Oft kommt man nur langsam voran. Doch wer will hier schon rasen: An der North Coast 500 liegt die Ruine von Ardvreck Castle bei Loch Assynt, etwas nördlich von Inchnadamph. Im Süden von Brora steht das Dunrobin Castle, ein Schloss im Stil eines französischen Châteaus. Es wurde bereits im 13. Jahrhundert bewohnt und diente während des Ersten Weltkriegs als Lazarett. Wer eine Wanderung unternehmen will, der findet in den zerklüfteten Gebirgszügen der Highlands dazu reichlich Gelegenheit. Die Berggipfel des Naturschutzgebietes Beinn Eighe und die weißen Strände von Dunnet Bay liegen an der Strecke.

North Coast 500 Boote_CO_de Paoli

Die Straße ruft

In der Nähe von Ullapool treffen wir Roddy, der an der North Coast 500 wohnt. Er habe jahrelang in Edinburgh gelebt, erzählt er. Aber nur hier an der Westküste kann er das machen, was er am liebsten tut: Angeln. Gerade lässt er sein selbst restauriertes Boot zu Wasser. „Ihr könnt gerne mitkommen“, sagt er. Aber wir müssen leider weiter. Die Straße ruft.

North Coast 500 Lake_CO_de Paoli

Die Autorin Nicola de Paoli kennt Schottland seit vielen Jahren. Sie bringt das deutschsprachige Schottland-Magazin heraus, das in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Zeitschriftenhandel erhältlich ist. Mit Reportagen, Insidertipps und schönen Fotostrecken macht das Magazin Lust auf das Reiseziel Schottland. Das Schottland-Magazin wird in Edinburgh produziert – www.schottland.co.

Mit dem Motorroller ins Baltikum reisen

Mit DFDS nach Klaipeda_Credits Sabine Bobrowski

Die kopfsteingepflasterte Altstadt von Klaipeda schüttelt uns auf dem Motorroller ordentlich durch, doch wir genießen jede Minute in dieser niedlichen Idylle und auf der Kurischen Nehrung kämpfen sich die Sonnenstrahlen durch die Bäume bis auf unsere Haut hinter dem Visier. Erholung pur!

Baltikum reisen Klaipeda Brunnen_Credits Sabine Bobrowski

Die Fahrt auf der Fähre nach Klaipeda

Wie schon im letzten Jahr in Oslo mit dem Fahrrad, sind wir auch dieses Pfingsten wieder mit einem Zweirad und einer DFDS Fähre unterwegs. Allerdings setzen wir dieses Mal auf etwas mehr Geschwindigkeit, nehmen unseren Motorroller und nutzen die Route Kiel – Klaipeda, um ins für uns noch unbekannte Baltikum zu reisen. Von Hamburg aus geht es am Freitagnachmittag bei schönstem Sonnenschein ins knapp 90 km entfernte Kiel, vorbei an blühenden Feldern, kleinen Dörfern und Städten. Gerade rechtzeitig bevor der Regen einsetzt, fahren wir auf die Fähre, wo zwei hilfreiche Mitarbeiter uns beim Verzurren des Motorrollers helfen. An Bord erwartet uns eine kleine gemütliche Kabine mit Meerblick, die für die nächsten 20 Stunden unsere Ruheoase sein wird. 20 Stunden mögen sich für den Einen oder Anderen lang anhören, doch wir genießen die Ruhe und den Abstand von der ständigen Beschallung des Alltags. Wir schlafen lang, schlagen uns die Bäuche im Restaurant voll und vertreiben uns die Zeit mit Spielen und Drinks an der Bar, die nebenher gesagt einen wirklich unschlagbaren Preis haben. Ein halber Liter vom litauischen Svyturio Bier kostet uns gerade einmal 2,60 € und schmeckt auch noch gut.

Charmantes Klaipeda

Gegen frühen Nachmittag kommen wir in Klaipeda (ehemals Memel, Küstenstadt in Litauen, Teil der Baltischen Staaten) an und fahren direkt zu unserem Hotel. Das Memel Hotel bietet uns alles was wir brauchen. Vor allem der eingezäunte und bewachte Parkplatz, der nur für Gäste des Hotels zugänglich ist, überzeugt uns. Den Rest des Tages schauen wir uns in Klaipeda um. Die kleine kopfsteingepflasterte Altstadt hält so viele niedliche Highlights bereit, dass wir ganz touristisch mit der Kamera durch die Straßen laufen. Der Fluss Dane, der direkt durch die Stadt fließt, passt nur zu gut in das kleine idyllische Städtchen. Unweit vom Stadtkern entfernt entdecken wir auch die Meridianas – ein stolzes Segelschiff, das heute als Restaurant genutzt wird. Kleine Infotafeln mit Bild und Schrift erklären uns weitere Details über das Schiff und den dazugehörigen Hafen.

Meridianas Klaipeda_Credits Sabine Bobrowski

Überraschungen an jeder Ecke

Wir gehen weiter am Fluss entlang und sehen einen Tretbootverleih, viele kleine Schiffe und eine rege Menschenmasse. Wie sich herausstellt, findet wohl an diesem Wochenende eines der vielen Festivals statt. Es sind Buden mit verschiedenen Leckereien, Bernstein und anderen tollen Dingen aufgebaut und auf einem Musikturm kommt der DJ voll in Fahrt. Wir gönnen uns ein Svyturio, wieder zu einem unschlagbaren Preis, und schlendern weiter. Eine von Hand betriebene Brücke lässt uns schmunzeln. Zwei Männer ermöglichen den wartenden Fußgängern ca. alle 15 Minuten den Übergang, indem jeder an einer Seite des Hebels dreht. Wieder ein kleines Highlight, das uns schon jetzt festlegen lässt: wir werden bald wieder ins Baltikum reisen! Da es leider anfängt zu regnen, suchen wir Unterschlupf in einem der vielen Restaurants. Wir entscheiden uns für etwas typisch Litauisches – man will ja auch vom einheimischen Essen probieren. Gestärkt mit frischem Fisch, Rote-Beete-Suppe und Maultaschen spazieren wir am Abend zufrieden zu unserem Hotel zurück.

Warum wir wieder ins Baltikum reisen

Am nächsten Tag steht für uns ein Ausflug zur Kurischen Nehrung an. Wenn man schon mal vor Ort ist, ist das ein unbedingtes Muss. Es hätte an diesem Tag, trotz der kühlen Temperaturen, nicht schöner sein können, mit dem Motorroller durch die Natur zu brausen. Begleitet von vielen verschiedenen Vogelarten genießen wir einen tollen Tag auf den beeindruckenden Dünen und in kleinen Ortschaften, die die Kurische Nehrung so besonders machen. Neben vielen Fahrradfahrern, Wanderern und Sportbegeisterten fühlen wir uns rundum wohl. Ein durchaus gelungener Tag für uns. Am Nachmittag machen wir uns dann auf den Rückweg zur Fähre. Wir genießen wieder die Ruhe und die Zeit an Bord bevor wir den Heimweg von Kiel nach Hamburg antreten.

Kurische Nehrung_Credits Sabine Bobrowski

Vollkommen erholt von unserem kleinen Kurztrip, geht es schon in die nächste Planung und wir überlegen, wann wir das nächste Mal ins Baltikum reisen.

Ländliche Idylle in Lettland

Sabile Weinberg Eingang - Credits J. Grieschat

Abseits vom Tourismustrubel entdeckt Gastautor Jürgen Grieschat auf seinen Motorradtouren durch das Baltikum die ländliche Idylle und faszinierende Orte. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm das terrassenartige Städtchen Sabile im Westen von Lettland, der nördlichste Wein der Welt, spektakuläre Kunstinstallationen und sehr ungewöhnliche Puppen.

Von Kuldiga kommend schlängelt sich die Straße hinunter nach Sabile in den schönsten und tiefsten Abschnitt des Urstromtals der Abava. Zwischen den Apfelbäumen rechter Hand irritiert mich eine Installation von weißen Gestellen. Ich steige vom Motorrad ab und versuche herauszufinden, was das ist. Aber ein Zaun hindert mich an einer genaueren Erkundung. Es ist kein Schild zu finden. Erst später erfahre ich, dass es sich hier um das Kunstobjekt “Stone. Message” des Open-Air Kunst Museums von Pedvāle handelt.

Ein Kulturdenkmal unter freiem Himmel

Dieses Museum ist ab 1992 am Ufer des Flusses Abava vom Bildhauer Ojārs Arvīds Feldbergs errichtet worden und bietet seinen Besuchern mehr als 150 Kunstwerke unter freiem Himmel zur Besichtigung an. Das Museum im Herzen von Lettland hat inzwischen die Auszeichnung der UNESCO für die Bewahrung und Entwicklung der Kulturlandschaft erhalten. Die Stiftung Weltkulturerbe hat das Abava-Tal und den Landgutkomplex Pedvāle in die Liste der 100 gefährdetsten Kulturdenkmäler der Welt aufgenommen.

Open-air Kunst in Lettland - Credits J. Grieschat

Nördlichster Wein der Welt aus Lettland

Das inmitten der Kurländischen Schweiz gelegene Sabile hat eine große Besonderheit aufzuweisen. Laut dem Guinness-Buch der Rekorde befindet sich hier der nördlichste „Weinberg“ der Welt. Dieser Berg, eher ein Hügel, ist ein etwa 1,5 ha großes Weinrebenfeld, das eine Höhe von gut 33 m erreicht. Auf ihm wird seit der Zeit des Deutschen Ordens Wein kultiviert. Das Guinness-Buch der Rekorde erwähnt ihn als den am weitesten im Norden gelegene Weingarten in der Welt. Nach einer Pause in der Sowjetzeit wurde 1989 der Weinbau wieder aufgenommen. Insgesamt wachsen hier gut 800 Weinreben und ca. 25 verschiedene Traubensorten werden kultiviert. Daneben wachsen auf dem Weinberg auch andere eher exotische Pflanzen wie Pfirsiche, Aprikosen sowie Walnüsse und bringen südländisches Flair nach Lettland.

Weinberge von Sabile im Westen von Lettland - Credits J. Grieschat

Weinkult in Sabile

Die Weinrebe taucht sogar im Stadtwappen von Sabile auf. Jedes Jahr findet am letzten Wochenende im Juli ein Weinfest statt. Die geringen Erträge des Weinberges sind aber hauptsächlich für den eigenen Verbrauch bestimmt. Weinflaschen können in der kleinen Hütte am Eingang des Weinberges und in dem örtlichen Geschäft gekauft werden. Probieren kann man den Wein in dem Gasthaus am Fuße des Weinberges. Er schmeckt deutlich besser als erwartet.

Weinflaschen aus dem Anbau am Sabile Weinberg - Credits J. Grieschat

Lettland im Miniaturformat

Gleich um die Ecke, direkt an der Hauptstraße, erwartet uns eine weitere Überraschung. Freundliche Gesichter empfangen uns auf einer Wiese. Sie gehören zu zahlreichen Puppen – große und kleine. Daina Kucere stellte ihre erste Puppe vor Jahren für das Mittsommerfest her. Ihre Nachbarn waren begeistert. So baute sie gemeinsam mit ihrem Mann noch weitere Puppen. Inzwischen sind es über 300 – ein kleines Dorf mit allen Lebenssituationen. Aber sie werden nicht nur mehr, Daina hegt und pflegt das kleine Volk, denn es muss von Zeit zu Zeit auch erneuert und ausgetauscht werden. Ich setze mich zu ihr auf eine Bank und gemeinsam beobachten wir das Puppenvolk vor uns. Zu einigen erzählt sie mir eine Geschichte. Schade, dass wir weiter müssen. Nächsten Sommer bin ich aber wieder da. Mal sehen, wer dann dazu gekommen ist.

Sabile Puppen Dorf - Credits J. Grieschat

Sehenswürdigkeiten in Sabiles Altstadt

Und noch etwas ist interessant: Bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht war Sabile ein bedeutendes jüdisches Zentrum. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es hier keine jüdische Gemeinde mehr. Die 1890 erbaute Synagoge ist heute ein Konferenzsaal. Wer bei seinem Besuch noch ein wenig Zeit hat, sollte sich die Altstadt nicht entgehen lassen. Das historische Stadtzentrum von Sabile, der Burghügel in Sichtweite zum Weinberg, die Gruft der Familie von den Brincken und die evangelisch-lutherische Kirche von Sabile mit der ältesten Glocke sowie der ältesten Kanzel in Lettland sind unter Schutz gestellte Kulturdenkmäler.

Gastblogger: Jürgen „Juri“ Grieschat, www.mottouren.de

Lettland mit dem Motorrad - Credits J. Grieschat

Mit dem Wohnmobil durch Schottland

Mit dem Wohnmobil auf der A87 Richtung Loch Cluanie (West Schottland)

Vier Wochen lang mit dem Wohnmobil durch Schottland – damit ging für uns ein lang gehegter Traum in Erfüllung! Der Reisezeitraum war von Mitte September bis Mitte Oktober zwar eher herbstlich gewählt, doch Angst vor dem schottischen Herbstwetter hatten wir nicht. Schließlich gibt es drei einfache Regeln:

  1. Es gibt kein schlechtes Wetter (sondern nur schlechte Kleidung)!
  2. Nach Regen scheint immer wieder die Sonne!
  3. Wenn einem das Wetter nicht gefällt, wartet man einfach fünf Minuten, dann ist es auf jeden Fall „anders“! Es heißt aber nicht, dass es unbedingt „besser“ sein muss…

Mit diesen guten Vorsätzen fuhren wir drei (Melanie, Mario und Fabian) zum Fähranleger nach IJmuiden kurz hinter Amsterdam, wo die KING SEAWAYS von DFDS bereits auf uns wartete. Der Check-In verlief zügig und auch das Boarding erfolgte problemlos. Auf dem Schiff wurden wir sehr nett empfangen und der Weg zur Kabine war schnell gefunden. Neunte Etage hoch oben auf dem Schiff mit Außenkabine – was für ein Ausblick! Schnell packten wir unsere Sachen aus und organisierten einen Rausfallschutz für Fabian, falls es nachts doch etwas schaukeln würde. Danach machten wir das Schiff unsicher und beobachteten das Ablege-Manöver vom Deck aus. Nach einer ruhigen Nacht und einem sehr reichhaltigen Frühstücksbüfett erreichten wir am nächsten Morgen gut gestärkt den Hafen von Newcastle. Hier hieß es runter vom Schiff und rein ins schottische Abenteuer!

Schottland pur: Von Nessie bis Whisky

Mit dem Wohnmobil erreichten wir schnell den schottischen Grenzstein. Nun konnte es richtig losgehen. Bereits in der Vorbereitung auf diese Reise hatten wir uns einige Ziele gesetzt. Auf unserer Liste standen neben dem Besuch von Städten wie Edinburgh die historischen und natürlichen Schauplätze Schottlands. Dazu gehörte unter anderem der Besuch beim „Ungeheuer von Loch Ness“ (welches wir nicht gesehen haben!), der Kriegsschauplatz „Culloden Battlefield“ sowie die ein oder andere Whisky-Destillerie. Wirklich empfehlenswert ist eine Führung in der Deanston Distillery mit anschließender Verkostung! Etwas für Kenner und Genießer…

Mit dem Wohnmobil über Single Track Roads zur Isle of Skye

Hoch im schottischen Norden entdeckten wir riesige Höhlen, kleine Buchten, steile Felsen und etliche Wasserfälle. Durch das raue Klima wurde hier eine einzigartige Landschaft geschaffen. Die Ruhe, die die kleinen Dörfer und Siedlungen ausstrahlten, wirkten auf uns regelrecht entspannend. Von Norden ging es mit dem Wohnmobil über einspurige „Single Track Roads“ an die schottische Westküste und damit auf die Isle of Skye, der wohl schönsten Inselgruppe Schottlands. Zwischen faszinierenden Küstenstreifen, freien Blicken auf den Atlantik und hohen Bergmassiven konnten wir uns kaum satt sehen. Neben Portree, der Hauptstadt der inneren Hebriden, lohnte sich auch der Besuch kleinerer, uriger Orte.

So schön es war, kam langsam der Zeitpunkt, wieder an die Heimreise zu denken. Wir beendeten unsere Tour mit der Durchfahrt durch den südlichen Teil Schottlands und fuhren mit dem Wohnmobil gaaaanz langsam zurück zum Fähranleger nach Newcastle. Hier wartete die PRINCESS SEAWAYS von DFDS auf uns, welche uns sicher und bequem zurück nach IJmuiden brachte.

Nach 2.646 Kilometer durch Schottland (ohne An- und Abreise durch Deutschland und den Niederlanden) und insgesamt etwa einen halben Tag Regen auf knapp vier Wochen ziehen wir ein sehr positives Fazit – und müssen unbedingt wieder kommen! Wir sind uns sicher: Wir haben noch lange nicht alles gesehen…

Anmerkung der DFDS Redaktion
Der Gastautor Mario Fritsche und seine Familie waren die Gewinner unserer Aktion „Camper Wanted – Mit dem Wohnmobil nach Schottland“ aus dem Herbst 2015. Mehr Reiseberichte von Familie Fritsche gibt es in Ihrem Tour-Buch oder bei ihrem ausführlichen Schottland-Bericht auf dem eigenen Blog.

Familie Fritsche am DFDS Terminal

Fahrt entlang der Memel nach Kaunas

Memelufer

Die Fahrt geht von Vente am Memeldelta flussaufwärts nach Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens. Links und rechts des Weges liegen einige geschichtsträchtige Orte, dessen Besuch sich lohnt. Gastautor Jürgen Grieschat hat die spannende Route mit dem Motorrad bereist und weiß mit seinen Eindrücken das Fernweh zu schüren.

Wir verlassen Šilutė auf der 141 in Richtung Osten. Unsere Fahrt führt uns bis Kaunas etwa 190 km auf der Landstraße an der Memel entlang, die hier Nemunas heißt und gemächlich durch eine beinahe menschenleere Gegend fließt. Der Strom entspringt in Weißrussland südwestlich von Minsk und mündet nach fast 940 km in das zur Ostsee gehörende Kurische Haff.

Ferien in der Kolchose

Das erste Dorf, das wir passieren, ist Juknaičiai. Es war in der Sowjetunion als Vorzeige-Kolchos, ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, berühmt. In mehrstöckigen Wohnhäusern wollte man den Kolchos-Arbeitern stadtähnliche Lebensbedingungen schaffen – eine Idee, von der man längst wieder abgekommen ist. Nach der Wende wurden hier neben den Wohnblocks Stallungen und Wirtschaftsgebäude errichtet, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre eigene Kuh zu halten. Solange Feriengäste von staatlichen Organisationen hierhergeschickt wurden, lief der Betrieb. Aber nach Litauens Unabhängigkeit ist das Konzept „Ferien in der Kolchose“ nicht mehr gefragt.

Landtourismus mit Urlaubs- und Freizeitangeboten in dörflich-ländlichem Umfeld dagegen wird immer beliebter. Auf dem weiteren Weg gibt es nahe der Kleinstadt Pagėgiai einen Abzweig nach Sowetsk (dt. Tilsit) am gegenüberliegenden Ufer der Memel. Der Fluss bildet hier bis Jurbarkas die Grenze zur russischen Oblast Kaliningrad, auch Kaliningrader Gebiet genannt. Den Gedanken an einen kurzen Abstecher ins frühere Königsberger Gebiet müssen wir leider wieder verwerfen – ohne rechtzeitig beantragtes Visum haben wir keine Chance. Für den nächsten Besuch steht es fest auf unserer Liste.

Dichterische Freiheiten an der Memel

Angelangt in dem Dorf Lumpėnai lohnt sich ein Abstecher in Richtung Memelufer zum berühmten Rambynas. Der heidnische Kultberg ist einer der beliebtesten Plätze Litauens für das Johannisfest zur Sonnenwende. Weiter in Richtung Osten führt die Straße nun als Allee aus Linden, Eichen und Eschen durch eine Wiesenlandschaft, in der ziegelgedeckte Backsteinhäuser Erinnerungen an das alte Ostpreußen wecken. Preußisch-Litauen hieß diese Landschaft einst. Die Zeit scheint in diesem flachen, grünen Land still zu stehen: spärlicher Autoverkehr, gelegentliche Pferdewagen, Milchkannen auf Holzständen am Straßenrand und immer wieder Störche. Die Memel wird in der ersten Strophe des Deutschlandliedes als eine der Grenzen Deutschlands aufgeführt: „[…] von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt […].“ Der Dichter Hoffmann von Fallersleben hatte 1841 nicht an eine klare Sprachgrenze gedacht, denn das Gebiet entlang des Flusses war damals litauisch-deutsches Mischgebiet und der Sprachnationalismus wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wirksam.

Kurz vor Jubarkas passieren wir beim Dorf Šmalininkai die historische Grenze von Litauen und Deutschland, die bis 1919 fast 500 Jahre lang eine der stabilsten Europas war. Die heute 13.000 Einwohner zählende Stadt Jurbarkas ist eine Gründung des Deutschen Ordens. Das damalige Georgenburg war ein bedeutender Handelsplatz. In der Hauptstraße unterhalb des alten litauischen Burgberges Bišpilis, früher als Bayerburg bezeichnet, konzentrieren sich die Geschäfte.

An der Memel auf dem Weg nach Westen

Unterwegs auf der litauischen Burgenstraße

Es ist wahrhaftig eine Burgenstraße, auf der wir nun unterwegs sind. Linker Hand auf dem Geestrücken, ragt immer wieder ein Schloss oder eine Burg aus den Baumgruppen hervor. 25 km weiter erreichen wir Schloss Raudonė. Dieses Renaissanceschloss diente wie Raudondvaris, auf das wir kurz vor Kaunas treffen, dem reinen Vergnügen. Ein Ostpreuße, der mit Holzhandel reich geworden war, ließ es Ende des 16. Jahrhunderts auf den Resten einer alten litauischen Burg bauen. Später wurde es im neo-gotischen Stil renoviert. Raudonė liegt mitten im Panemuniai-Regionalpark, der 1992 zum Schutz des Memel Tals und seiner historischen Kulturlandschaften angelegt wurde.

Veliuona ist die nächste Station entlang der Burgenstraße und wird von zwei Burghügeln geprägt. Hier haben sich Litauer und Kreuzritter heftige Kämpfe geliefert. Da der Orden die mächtige Heidenburg Junigeda nicht einnehmen konnte, baute er 1337 nebenan kurzerhand eine eigene, die bereits erwähnte Bayerburg. Daraufhin griffen die Litauer nun die Ordensritter an. In einem dieser Kämpfe soll der litauische Großfürst Gediminas gefallen sein. Es ist nicht belegt, aber der Burghügel ist heute landesweit als sein Grab berühmt. Dort steht auch ein Denkmal des Nationalhelden. Das klassizistische Gutshaus beherbergt heute ein Heimatmuseum.

Neue Heimat alter Römer?

Dann taucht die sagenumwobene Kleinstadt Seredžius an der Mündung des Flüsschens Dubysa in die Memel auf. Eine Legende besagt, dass die Litauer aus dem römischen Adelsgeschlecht Palemon stammen und auf der Flucht vor Nero über die Ostsee an der Memel gelandet seien. Daher leitet sich der Name Palemonas für den Berg ab, auf dem einst die hölzerne Wehrburg Piesve stand. Kurz vor Kaunas erreichen wir Raudondvaris, bekannt durch das „Rote Schloss“, das seit 1615 auf einem früheren Burghügel über dem Ort thront. Mit seinem Bergfried und den Schießscharten täuscht es Wehrhaftigkeit vor, aber alles ist nur Fassade! Raudondvaris wurde nämlich als Renaissance-Lustschloss gebaut. Während des Ersten Weltkriegs war Arnold Zweig hier als Heeresschreiber stationiert. In seinem Roman „Einsetzung eines Königs“ beschreibt er diese Zeit.

Nach ein paar Kilometen erreichen wir schließlich Kaunas, die einstige „litauische Hauptstadt wider Willen“ und Endpunkt dieser Reiseepisode. Als Litauen zwischen den beiden Weltkriegen zu Polen gehörte, wurde die Stadt zur Hauptstadt aufgebaut und damit zum historischen Brennpunkt.

Ansicht Kaunas

Gastblogger: Jürgen „Juri“ Grieschat, www.mottouren.de

England-Kurztrip zum Boxing Day

Die Brücken von Newcastle

Statt Weihnachtskaffee mit Omi und Tanten einfach mal in den Kurztrip zum Boxing Day nach England verschwinden? Warum eigentlich nicht! England ist sowieso eines unserer Lieblingsziele, egal zu welcher Jahreszeit, und so entschieden wir uns für eine 4-Tage Fußballreise ins nordenglische Newcastle inklusive Premier League Partie am berüchtigten „Boxing Day“ – wie der zweite Weihnachtsfeiertag in England genannt wird.

Schon gegen fünf Uhr morgens am 25. Dezember startete die Fußballreise nach England für uns in Hamburg am ZOB, denn statt Fahrt mit dem eigenen Auto oder Zugfahrt haben wir uns für die preisgünstige Alternative Fernbus entschieden. Eine gute Wahl! Nach angenehmer Fahrt über Bremen, Osnabrück und Groningen bringt uns der Bus pünktlich gegen elf Uhr morgens zum Amsterdamer Bahnhof Sloterdijk. Eine fünfminütige Bahnfahrt weiter landen wir am Amsterdamer Hauptbahnhof und steuern sofort das nächste gemütliche Café an einer der typischen Grachten an, wo wir dann mit „Koffie verkeerd“ und zweitem Frühstück zufrieden in den weiteren Tag starten.

Die meisten Geschäfte haben am 25. Dezember in Amsterdam zwar geschlossen, trotzdem ist die Stadt voll von Touristen und bei einem sonnigen Stadtbummel entlang der schönen Grachten und hübschen alten Kaufmannshäuser kommt sofort Urlaubsstimmung auf. Gegen 14 Uhr nehmen wir den DFDS Shuttlebus, der uns nach halbstündiger Fahrt zum Hafenterminal nach IJmuiden bringt, wo die PRINCESS SEAWAYS schon abfahrbereit am Kai wartet. Nach Einchecken und Bezug der Kabine haben wir noch reichlich Zeit das Schiff zu erkunden, bevor um 17 Uhr die Leinen losgemacht werden und sich die Fähre Richtung Nordsee aufmacht.

Gegen frühen Abend haben wir einen Tisch im Büfettrestaurant reserviert: Genau das richtige für ein ausgiebiges Weihnachtsessen! Zur Vorspeise gibt es für uns Muscheln, Krabben und Salat, zum Hauptgang wählen wir Braten mit Soße und verschiedenen Beilagen und auch der Nachtisch mit verschiedenen Käsesorten, kleinen Törtchen, Puddings und Eis ist einem Weihnachtsdinner angemessen. Gut gesättigt machen wir uns auf in die Navigators Bar, wo am späteren Abend ein (deutsches) Fußballquiz stattfindet. Nach Cider und Newcastle Brown Ale geht’s ab in die kleine, aber gemütliche Kabine.

Boxing Day in Newcastle

Am nächsten Morgen erwartet uns in Newcastle zwar englisches Regenwetter, aber kein Problem, das ist die beste Ausrede nach Einchecken im Hotel erstmal die Geschäfte in der Innenstadt zu erkunden, die am Boxing Day geöffnet haben. Denn heute beginnt in England traditionell der Winterschlussverkauf. Im großen Eldon Square Einkaufszentrum gibt’s alles was das Herz begehrt und riesige Menschenmengen schieben sich von Geschäft zu Geschäft – die Englänger sind im Schnäppchenrausch.

Gegen 17 Uhr spazieren wir allmählich Richtung Fußballstadion St. James Park, das nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt ist. Die Stimmung ist ausgelassen, es scheint als wäre die halbe Stadt unterwegs ins Stadion. Noch schnell mit einem halben Pint im Gastrobereich auf den Erfolg der Heimmannschaft anstoßen (auf den Rängen ist Alkohol verboten) und dann ist auch schon Anpfiff. Mitten im Heimblock fiebern wir mit den Magpies mit… der große Rückschlag folgt leider in letzter Minute als Gegner Everton die letzte Ecke des Spiels zum Siegtor verwandelt. Enttäuschte Fans trotten kopfhängend aus dem Stadion und ziehen erstmal in die umliegenden Pubs um die Schlappe zu verarbeiten. Kopf hoch Newcastle – bestimmt klappt’s beim nächsten Mal!

Fußballreise am Boxing Day Newcastle vs. Everton

Wir wählen fürs Abendessen das „Old George“ nahe der Innenstadt, ein wunderschöner Pub mit großer Bierauswahl und empfehlenswerten Fish & Chips, so lässt sich die Niederlage doch gleich besser verkraften! Zum Ausklang des Abends treibt es uns in die Kneipe „The Bridge Tavern“ – wo man seinen Gin wahlweise unten im Erdgeschoss umringt von Bücherregalen oder oben mit Blick auf die Stadtterrasse der Bar einnimmt – eine echt coole Kneipe mit jungem Publikum!

Von wegen englisches Wetter…

Am nächsten Morgen werden wir vom Sonnenschein geweckt. Den strahlend blauen Himmel kann man am besten bei einem Spaziergang entlang des Tyne genießen vorbei an den sieben Brücken der Stadt bis hin zur Millennium Kippbrücke und dem im Sonnenlicht glitzerndem Konzerthaus Sage Gateshead. Auf dem kleinen Markt, der jeden Sonntag an der Flusspromenade stattfindet, kommen wir mit einem Verkäufer ins Gespräch, der sogleich von Deutschland schwärmt und sich wundert warum wir denn an Weihnachten nach England kommen, wo wir doch die schönen deutschen Weihnachtsmärkte direkt vor der Haustür haben. Aber die haben wir ja jedes Jahr – und wir freuen uns stattdessen über die schönen Erlebnisse und spannende Abwechslung auf unserer kleinen Reise.

Am frühen Nachmittag schnappen wir uns dann unser Gepäck und machen uns mit dem Shuttlebus auf zum Hafen. Bei untergehender Sonne verlässt die Fähre später den Hafen flussabwärts Richtung Nordsee. Im Steakhouse an Bord des Schiffes lassen wir bei U.S. Explorer’s Steak, Ofenkartoffel und Rotwein den Abend ausklingen und fallen müde aber zufrieden in unsere gemütlichen Kojen. Der Fernbus bringt uns am nächsten Tag wieder von Amsterdam zurück nach Hamburg – erneut problemlos und pünktlich.

Unser Kurztrip war zwar nur vier Tage lang, trotzdem haben wir so viel erlebt und gesehen, dass es uns wie eine ganze Woche Urlaub vorkam. Einen Kurzurlaub zu Weihnachten können wir uns wieder vorstellen, vielleicht sogar ein zweites Mal zum Boxing Day nach Newcastle!

Konzerthaus "Sage Gateshead"

Die Gateshead Millennium Bridge

 

Zu Besuch in Vente: Am Memeldelta & Kurischen Haff

Leuchtturm in Vente

Auf einer Landzunge am Kurischen Haff, der Windenburger Ecke, steht seit dem Jahre 1863 der Leuchtturm von Vente. Ein Abstecher hierher und zu der heute dazu gehörigen Vogelwarte lohnt sich für alle, die sich auf dem Weg von Klaipeda nach Kaunas ein wenig Zeit nehmen können und wollen.

Wir sind mit unseren Motorrädern unterwegs: Klaipeda lassen wir auf der 141 nach Süden Richtung Šilutė hinter uns. In Prikulé biegen wir nach Südwesten ab, durchfahren Kintai und halten uns anschließend weiter in südwestliche Richtung bis nach Vente, welches wegen seiner Form von den Litauern Ventės Ragas – das Horn von Vente – genannt wird. Der deutsche Name Windenburger Ecke leitet sich von der 1360 errichteten Windenburg ab. Die Ordensburg diente ursprünglich der Sicherung und Kontrolle des Memeldeltas, sie existiert aber schon lange nicht mehr.

Unsere Fahrt endet am Verkehrsschild „Durchfahrt verboten“ – von hier geht es nur noch zu Fuß weiter zum Leuchtturm und zur Vogelwarte. Hinter einem Kiosk stellen wir unsere Motorräder auf dem Parkplatz ab, der ist seit dem Sommer 2015 kostenpflichtig. Etwa 400 Meter trennen uns noch vom markanten Leuchtturm auf der Landzunge am Kurischen Haff. Schon nach wenigen Metern befindet sich rechter Hand ein hölzerner Aussichtsturm. Von dem erhöhten Standpunkt aus schweift der Blick über das Haff hinüber zur Kurischen Nehrung. Je nach Tageszeit sind die großen Wanderdünen hell im Licht zu erkennen.

Fangnetze der Vogelwarte in Vente

Ins Netz gegangen – Die Vogelwarte in Vente

Am Himmel ziehen Vögel immer wieder ihre Kreise. Ihretwegen wurden die Vogelfangnetze rechts und links vom Leuchtturm aufgestellt. Je nach Jahreszeit werden sie in Richtung der Zugvogelschwärme ausgerichtet. Über die riesigen Netze werden die Vögel dann in kleinere „Käfige“ gelenkt. Sie werden bestimmt, gemessen, gewogen, beringt und anschließend wieder frei gelassen. Das sind hier pro Jahr etwa 50.000 Vögel. Über den Ring können Ornithologen in anderen Teilen der Welt Auskunft über Flugrouten geben. Die Vogelwarte Ventės Ragas besteht seit 1929. Zu Beginn der Saison 2015 sind hier neue Gebäude entstanden, die über die Arbeit der Vogelwarte informieren.

Aussichtsplattform vom Leuchtturm in Vente

Blick vom Leuchtturm

Einen guten Ausblick auf die Netze bietet die Aussichtsplattform des Leuchtturmes in 11 Metern Höhe, wenn man die enge, gusseiserne Wendeltreppe hinauf steigt. Bitte beachtet die geringe Bauhöhe der Ausstiegstür, um ein nachhaltiges Andenken in Form einer Beule zu verhindern. Von hier aus schweift der Blick vom Memeldelta übers Kurische Haff. Auch Kitesurfer, die das Revier vor der Landzunge zu ihrem erkoren haben, lassen sich hier gut beobachten. Nicht umsonst trägt diese Stelle den deutschen Namen Windenburger Ecke.

Weiterfahrt nach Kaunas

Zurück am Parkplatz legen wir eine Pause ein. In dem kleinen Kiosk versorgen wir uns mit kühlen Getränken und geräuchertem Fisch. Auf dem Rückweg Richtung Kintai gibt es ein neuerrichtetes Denkmal eines Kurenkahns in verkleinertem Maßstab. Es erinnert an die flachgehenden Holzboote, die einst in großer Zahl auf dem Haff zum Fischfang unterwegs waren. Heute gibt es nur noch wenige von ihnen, sie werden als nostalgische Ausflugssegler eingesetzt. Vom nahegelegenen Hotel mit angeschlossenem Campingplatz aus kann man mit einer kleinen Fähre über das Kurische Haff auf die Kurische Nehrung nach Nidden fahren. Dieses Angebot gilt allerdings nur für Fußgänger und Radfahrer.

Eine inzwischen geteerte Straße führt über diverse Wasserwege am Memeldelta entlang nach Šilutė, der „Hauptstadt“ des Memeldeltas. Seit 1511 entstand hier eine Siedlung, die aus einer Kneipe hervorgegangen ist, dem Heidekrug. Später wurde daraus ein Marktflecken für die Bauern dieser Moor- und Heidelandschaft. Von Šilutė aus führt die 141 über Pagégiai weiter nach Kaunas.

Gastblogger: Jürgen „Juri“ Grieschat, www.mottouren.de